Bei der Prüfung von Betrieben nimmt das Finanzamt häufig Hinzuschätzungen vor, wenn es die korrekten Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln kann. Eine zulässige Schätzungsmethode ist dabei der sogenannte äußere Betriebsvergleich, bei dem ein Vergleich mit den Ergebnissen anderer gleichartiger Betriebe vorgenommen wird. Um die erklärten Umsätze und Gewinne des geprüften Betriebs mit “Normalbetrieben” zu vergleichen, greift das Finanzamt dann auf amtliche Richtsätze zurück, die sich bei Prüfungen anderer gleichartiger Betriebe ergeben haben.

Ob diese amtlichen Richtsatzsammlungen überhaupt eine tragfähige Grundlage für Hinzuschätzungen bilden können, wird nun erstmalig vom Bundesfinanzhof (BFH) überprüft. Geklagt hatte ein Diskothekenbetreiber, dessen Getränkeumsätze das Finanzamt im Zuge einer Außenprüfung mit einem der Richtsatzsammlung entnommenen Rohgewinnaufschlagsatz von 300 % hochgerechnet hatte. Der Betreiber zog gegen diese Hinzuschätzung vor den BFH und machte geltend, dass die amtlichen Richtsätze eine statistisch untaugliche Stichprobe seien, da nur sechs Promille der Betriebe als Prüfungsfälle überhaupt in die Datensammlung einfließen würden.

Der BFH forderte nun das Bundesministerium der Finanzen (BMF) auf, dem Verfahren beizutreten. Die Bundesrichter erklärten, dass ein anhand der amtlichen Richtsatzsammlung vorgenommener äußerer Betriebsvergleich zwar eine anerkannte Schätzungsmethode ist, es bislang aber noch nicht höchstrichterlich betrachtet wurde, nach welchen Grundlagen und Parametern die Richtsätze überhaupt zustande gekommen sind.

Hinweis: Das BMF muss nun also für Transparenz sorgen und darlegen, wie die Richtsätze aufgestellt werden. Der Ausgang des Verfahrens ist für die Praxis höchst relevant. Unternehmen, die derzeit Hinzuschätzungen auf Grundlage der amtlichen Richtsätze ausgesetzt sind, können Einspruch gegen ihre Bescheide einlegen und sich auf das anhängige BFH-Verfahren berufen, um ihren Fall vorerst verfahrensrechtlich offenzuhalten.

Information für: Unternehmer
zum Thema: übrige Steuerarten

(aus: Ausgabe 06/2023)

Bei der Schenkung von Anteilen an Kapitalgesellschaften muss Schenkungsteuer gezahlt werden. Dazu muss natürlich der Wert der Anteile bestimmt werden, auf dessen Grundlage sich die Steuer berechnen lässt. Bei börsennotierten Anteilen ist dies einfach, da es einen Börsenkurs gibt. Auch bei anderen Anteilen, die auf anderen Handelsplattformen gehandelt werden, ist ein Wert relativ einfach festzustellen. Wie aber kann man den Wert von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft feststellen, wenn diese nur unter den jeweiligen Familienmitgliedern weitergegeben werden? Das Finanzgericht Düsseldorf (FG) musste darüber entscheiden, ob der von den Klägern oder der vom Finanzamt ermittelte Wert anzusetzen ist.

Die Klägerin ist eine GmbH. An ihr war im Jahr 2009 eine Vielzahl natürlicher Personen beteiligt, die überwiegend Abkömmlinge von C und D der B-Familie waren. Nach dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin durften die beteiligten Personen über Geschäftsanteile oder Teile von Geschäftsanteilen ausschließlich zugunsten von Abkömmlingen der B-Familie verfügen. Ausnahmen waren nur über den Aufsichtsrat möglich. Für die Verkäufe war der sogenannte gemeine Wert maßgebend. Dieser wurde ermittelt, indem für Beteiligungen der Klägerin an börsennotierten Kapitalgesellschaften der Durchschnittskurs der letzten drei Monate zugrunde gelegt wurde. Bei Beteiligungen an nichtbörsennotierten Gesellschaften wurden die voraussichtlichen Umsätze oder Erträge ermittelt. 2009 übertrug Gesellschafter A Teilgeschäftsanteile an seine drei Kinder. Die Klägerin gab eine Feststellungserklärung ab, in der sie den Wert der abgetretenen Anteile auf Basis von Verkäufen von Geschäftsanteilen ermittelte (408 % des Nennwerts). Das Finanzamt setzte einen anderen Wert (510 % des Nennwerts) an. Hiergegen klagte die GmbH.

Die Klage vor dem FG war erfolgreich. Bei den nachgewiesenen Verkäufen handele es sich um Verkäufe unter fremden Dritten, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr stattgefunden hätten. Maßgebend für die Bestimmung des gemeinen Werts von Anteilen an Kapitalgesellschaften sei der bei einer Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr tatsächlich erzielte Preis. Die Klägerin habe die Verkaufspreise nicht verbindlich vorgegeben. Auch die Beschränkungen bei der Veräußerung der Anteile rechtfertigten nicht ohne weiteres die Annahme, dass die Veräußerung nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr stattgefunden habe. Anders als das beklagte Finanzamt meine, entspreche der aus den Verkäufen von Geschäftsanteilen unter Abzug eines Marktabschlags von 20 % abgeleitete Wert der zugewendeten Geschäftsanteile dem gemeinen Wert der Anteile. Auch werde entgegen der Ansicht des Finanzamts der Substanzwert nicht unterlaufen. Der Substanzwert sei nicht der Mindestwert, wenn der gemeine Wert aus Verkäufen abgeleitet worden sei.

Information für: Kapitalanleger
zum Thema: Erbschaft-/Schenkungsteuer

(aus: Ausgabe 06/2023)

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem österreichischen Vorabentscheidungsersuchen zu den Auswirkungen eines fehlenden Hinweises auf die “Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers” bei Dreiecksgeschäften entschieden. Nach seiner Auffassung kann ein fehlender Hinweis auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft nicht rückwirkend korrigiert werden. Für den Zwischenhändler eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts kann dies insbesondere dann erhebliche Auswirkungen haben, wenn er die Steuerschuld nicht mehr auf seinen Abnehmer abwälzen kann.

Im zugrundeliegenden Urteilsfall lieferte eine österreichische Gesellschaft Luxusfahrzeuge im Rahmen eines Reihengeschäfts aus dem Vereinigten Königreich (zum Zeitpunkt des Streitfalls noch Teil der EU) nach Tschechien. Um eine umsatzsteuerliche Erfassung in Tschechien zu vermeiden, wollte die Gesellschaft die Vereinfachungsregelung für innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte anwenden. Ihre Rechnungen enthielten jedoch keinen Hinweis auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft, sondern lediglich die Angabe “steuerfreies innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft”. Der EuGH vertrat die Auffassung, dass der tschechische Leistungsempfänger nicht wirksam als Steuerschuldner bestimmt worden sei. Eine rückwirkende Korrektur der Rechnungen lehnte er ab. Eine Rechnung könne nicht später durch Ergänzung eines Hinweises darauf berichtigt werden, dass diese Rechnung ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft betreffe und dass die Steuerschuld auf den Empfänger der Lieferung übergehe.

Hinweis: In der Praxis stellt die umsatzsteuerliche Behandlung von Reihengeschäften Unternehmen vor große Herausforderungen. Zur Vermeidung der umsatzsteuerlichen Registrierung des Zwischenhändlers spielt die Anwendung der Vereinfachungsregelung für innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte eine wesentliche Rolle. Diese ist jedoch an hohe Anforderungen geknüpft. Sie ist nicht anwendbar, wenn die Rechnung des mittleren Unternehmers keinen Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft des letzten Unternehmers enthält.

Information für: Unternehmer
zum Thema: Umsatzsteuer

(aus: Ausgabe 06/2023)

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie haben sich viele ehrenamtliche Helfer nebenberuflich in Impfzentren und mobilen Teams engagiert. Personen, die in diesem Zusammenhang im Impfbereich tätig waren, können für ihre daraus erzielten Einnahmen in den Steuerjahren 2020 bis einschließlich 2023 die Übungsleiterpauschale beanspruchen. Sie beträgt in den Jahren 2021, 2022 und 2023 je 3.000 EUR (2020: 2.400 EUR). Bis zu diesem Betrag bleiben alle Einkünfte aus dem nebenberuflichen Engagement steuerfrei. Erfasst werden alle Tätigkeiten in unmittelbarem Zusammenhang mit der Impfung, so etwa auch zur Vor- und Nachbereitung der Impfungen, der Registrierung der zu impfenden Personen, der Aufbereitung des Impfstoffs, der Dokumentation der Impfungen und der Überwachung der geimpften Personen.

Wer nebenberuflich in der Verwaltung oder Organisation von Impfzentren gearbeitet hat (z.B. in der Impfzentrenleitung oder im Sicherheitsmanagement), kann die Ehrenamtspauschale von 840 EUR jährlich (2020: 720 EUR) abziehen.

Die vorgenannten Abzugsgrundsätze gelten analog auch für eine in den Jahren 2020 bis 2023 ausgeübte nebenberufliche Tätigkeit in Corona-Testzentren: Wer hier bei der Durchführung der Tests oder bei deren Vor- und Nachbereitung (z.B. Personenregistrierung, Dokumentation) geholfen hat, kann die Übungsleiterpauschale beanspruchen, für andere Tätigkeiten kann gegebenenfalls die Ehrenamtspauschale in Betracht kommen.

Information für: alle
zum Thema: Einkommensteuer

(aus: Ausgabe 06/2023)

Kosten für die Berufsausbildung oder für ein Studium können nach dem Einkommensteuergesetz nur als Werbungskosten abgezogen werden, wenn der Steuerzahler zuvor entweder bereits eine Erstausbildung (eine Berufsausbildung oder ein Studium) abgeschlossen hat oder die Berufsausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet.

Hinweis: Kosten für eine erstmalige Ausbildung bzw. ein erstmaliges Studium können lediglich mit maximal 6.000 EUR pro Jahr als Sonderausgaben abgesetzt werden. Der Haken an dieser Abzugsvariante ist, dass sich Sonderausgaben nur dann steuermindernd auswirken, wenn der Auszubildende bzw. Student im gleichen Jahr auch ein Einkommen oberhalb des steuerfreien Grundfreibetrags erzielt, denn nur wer Steuern zahlen muss, kann auch Steuern sparen. Eine Mitnahme der Kosten in spätere (Berufs-)Jahre über einen Verlustvortrag, wie das bei den Werbungskosten möglich ist, akzeptiert das Finanzamt bei Sonderausgaben nicht.

In einem neuen Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) nun entschieden, dass sich die Kosten für eine Pilotenausbildung als Werbungskosten abziehen lassen, wenn zuvor eine Ausbildung zum Rettungshelfer absolviert worden ist. Im zugrunde liegenden Fall hatte ein angehender Pilot während seines Zivildienstes im Jahr 2007 bei einer Feuer- und Rettungswache einen nur siebenwöchigen Lehrgang absolviert, um sich als Rettungshelfer zu qualifizieren. Eineinhalb Jahre später nahm er dann seine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer auf. Die Kosten von insgesamt 87.500 EUR machte er in den Jahren 2009 und 2010 als vorweggenommene Werbungskosten geltend.

Der BFH entschied, dass die Ausbildung zum Rettungshelfer eine Erstausbildung war, so dass die Pilotenausbildung als Zweitausbildung einen vorweggenommenen Werbungskostenabzug zuließ. Die Richter verwiesen auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der die Hürden für die Anerkennung von erstmaligen Berufsausbildungen – jedenfalls in den hier relevanten Streitjahren – sehr niedrig waren und weder ein geordneter Ausbildungsgang noch eine bestimmte Ausbildungsdauer oder ein formaler Abschluss erforderlich waren.

Hinweis: Der Fall betrifft die alte Rechtslage bis 2014. Seit 2015 sind die Hürden für die Anerkennung von Erstausbildungen höher, denn seither ist gesetzlich festgelegt, dass als Erstausbildung nur geordnete Ausbildungsgänge anerkannt werden, die für mindestens zwölf Monate in Vollzeit absolviert werden und mit einer Abschlussprüfung enden. Der Gesetzgeber will so verhindern, dass beispielsweise Taxischeine oder Skilehrer-Lehrgänge einen Werbungskostenabzug für nachfolgende Ausbildungen eröffnen.

Information für: alle
zum Thema: Einkommensteuer

(aus: Ausgabe 06/2023)

Bei einem Grundstückskauf bemisst sich die Grunderwerbsteuer nach dem Wert der Gegenleistung. Hierzu gehören neben dem Kaufpreis auch die vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Werterhöhend müssen daher beispielsweise Verpflichtungen erfasst werden, die der Erwerber vom Veräußerer übernimmt.

In einem neuen Urteil hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) mit der Frage befasst, ob Verpflichtungen im Rahmen eines öffentlichen Wohnraumfördermodells eine grunderwerbsteuerliche Gegenleistung darstellen. Im zugrunde liegenden Fall hatte eine Investorin im Jahr 2015 unbebaute Grundstücke erworben. Nach einem städtebaulichen Vertrag hatte für die Grundstücke die Verpflichtung bestanden, dort geförderten Wohnraum herzustellen. Der Vertrag sah eine künftig verbilligte Vermietung an Personen vor, die von der Stadt zu benennen waren. Im Gegenzug bewilligte die Stadt der Investorin nach Kaufvertragsabschluss niedrigverzinsliche Darlehen.

Das Finanzamt berechnete die Grunderwerbsteuer nicht nur auf Grundlage des reinen Kaufpreises, sondern bezog auch die Verpflichtung zur verbilligten Vermietung als sonstige Leistung ein (mit dem kapitalisierten Wert). Der BFH lehnte dies jedoch ab und urteilte, dass die Verpflichtung zur verbilligten Vermietung keine grunderwerbsteuerliche Gegenleistung war. Die Verpflichtung war der Investorin rechtlich bindend erst in den Förderbescheiden auferlegt worden, sie war somit nicht von der Veräußerin übernommen worden. Selbst wenn man aber – wie das Finanzgericht in der Vorinstanz – von einer übernommenen Verpflichtung ausginge, läge ebenfalls keine sonstige Leistung vor.

Der BFH verwies auf die Rechtsprechung zum sozialen Wohnungsbau, wonach eine auf den Erwerber übergehende Mietpreisbindung nicht zusätzlich als sonstige Leistung anzusehen ist. Diese Rechtsprechung gilt nicht nur, wenn der Käufer vom Verkäufer neben der Mietpreisbindung direkt auch die im Gegenzug gewährten Darlehen übernimmt, sondern auch dann, wenn die Darlehen – wie im Urteilsfall – erst nach Kaufvertragsabschluss an den neuen Eigentümer ausgereicht werden. Im Gesamtkonzept der staatlichen Wohnraumförderung kommt der Mietpreisbindung kein eigenständiger Wert zu, stattdessen muss sie in Zusammenhang mit den “verknüpften” zinsgünstigen Darlehen gesehen werden.

Information für: Hausbesitzer
zum Thema: Grunderwerbsteuer

(aus: Ausgabe 05/2023)

Bei Einzelgewerbetreibenden und Personengesellschaften beginnt die Gewerbesteuerpflicht erst mit Beginn der “werbenden” Tätigkeit. Maßgebend ist also, wann sich das Unternehmen mit eigenen gewerblichen Leistungen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligen kann. Bei einem Handelsunternehmen ist demnach entscheidend, wann das Ladenlokal eröffnet worden ist. In der Herstellungsbranche kommt es auf den Beginn der Produktion an. Aufwendungen vor der Betriebseröffnung (z.B. Kosten für die Anmietung eines Geschäftslokals, Renovierung, Ankauf von Betriebsgrundlagen) sind daher gewerbesteuerlich nicht abziehbar.

Hinweis: Im Einkommensteuerrecht lassen sich hingegen auch vorweggenommene Betriebsausgaben abziehen, so dass der gewerbesteuerliche Ertrag und der einkommensteuerpflichtige Gewinn in der Gründungsphase durchaus auseinanderfallen können.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass vor Betriebseröffnung entstandene Betriebsausgaben auch dann gewerbesteuerlich unbeachtlich sind, wenn ein Gewerbebetrieb im Ganzen übernommen wird. Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Imbissbetreiber geklagt, der seinen Betrieb samt Inventar zum 01.12.2017 von der bisherigen Betreiberin gepachtet hatte. Im Dezember 2017 ließ er den Imbiss geschlossen, um ihn umfassend zu renovieren. Im Januar 2018 öffnete er den Imbiss schließlich für die Gäste.

Das Finanzamt erkannte die im Jahr 2017 entstandenen Renovierungskosten gewerbesteuerlich nicht an und vertrat die Auffassung, dass die Gewerbesteuerpflicht erst ab Januar 2018 eingetreten war und die Renovierung eine gewerbesteuerrechtlich unbeachtliche Vorbereitungshandlung darstellt. Der Imbissbetreiber war hingegen der Auffassung, dass er lediglich einen bestehenden Gewerbebetrieb übernommen habe und sich der Steuergegenstand durch den Betriebsübergang nicht verändert hätte.

Der BFH wies die Klage des Betreibers jedoch ab und erklärte, dass der Imbissbetrieb erst mit der Eröffnung für die Kundschaft im Januar 2018 als Steuergegenstand des Gewerbesteuerrechts anzusehen war, so dass vorher entstandene Ausgaben nicht berücksichtigt werden konnten. Unerheblich war nach Auffassung des Gerichts, dass im vorliegenden Fall ein Gewerbebetrieb im Ganzen auf einen anderen Unternehmer übergegangen ist. Zwar regelt das Gewerbesteuergesetz, dass ein Gewerbebetrieb bei einem Übergang im Ganzen bei dem “neuen” Unternehmer als neu gegründet gilt, wenn er nicht mit einem anderen, bereits bestehenden Gewerbebetrieb vereinigt wird. Die Regelungen definieren aber keinen Zeitpunkt für die anzunehmende Betriebseröffnung, so dass die allgemeinen Grundsätze für noch nicht eröffnete Gewerbebetriebe anwendbar bleiben.

Information für: Unternehmer
zum Thema: Gewerbesteuer

(aus: Ausgabe 05/2023)

Wenn Unternehmer ihren Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermitteln, müssen sie ihre Ausgaben in dem Kalenderjahr absetzen, in dem sie diese geleistet haben (Abflussprinzip). Eine Ausnahme gilt für regelmäßig wiederkehrende Ausgaben wie z.B. Umsatzsteuervorauszahlungen: Diese dürfen noch im Jahr ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit abgezogen werden, wenn sie kurze Zeit vor Beginn oder nach Beendigung dieses Jahres gezahlt worden sind.

Hinweis: Als “kurze Zeit” definiert die höchstrichterliche Rechtsprechung einen Zeitraum von bis zu zehn Tagen vor bzw. nach dem Jahreswechsel (somit vom 22.12. bis 10.01.).

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun erneut bekräftigt, dass Umsatzsteuervorauszahlungen nur dann im Jahr ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit als Betriebsausgaben abgezogen werden können, wenn sie innerhalb des Zehntagezeitraums sowohl fällig waren als auch geleistet wurden.

Geklagt hatte ein selbständiger Steuerberater, der seine Umsatzsteuervorauszahlungen für Dezember 2015 am 06.01.2016 geleistet hatte (also innerhalb der Zehntagefrist). Aufgrund einer erteilten Dauerfristverlängerung war die Vorauszahlung aber erst am 10.02.2016 fällig gewesen (somit außerhalb der Zehntagefrist). Der Berater wollte die Zahlungen im Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit (2015) als Betriebsausgaben absetzen und berief sich darauf, dass er schließlich innerhalb der Zehntagefrist gezahlt hatte. Der BFH lehnte jedoch ab, da die Fälligkeit der Vorauszahlungen außerhalb des Zehntagezeitraums gelegen hatte. Somit konnte eine Verbuchung zwingend erst im Zahlungsjahr 2016 erfolgen.

Hinweis: In einer anderen Fallkonstellation kann ein Betriebsausgabenabzug wegen der Zehntageregelung sogar komplett verlorengehen: Lehnt das Finanzamt einen Betriebsausgabenabzug im Jahr der Zahlung ab und will der betroffene Unternehmer daraufhin nachträglich einen Abzug im vorangegangenen Jahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit erreichen, kann es vorkommen, dass das vorangegangene Jahr verfahrensrechtlich nicht mehr änderbar ist, so dass die Ausgaben nicht mehr steuermindernd verbucht werden können. Einnahmenüberschussrechner sollten daher genauestens auf die korrekte zeitliche Zuordnung ihrer Umsatzsteuervorauszahlungen achten. Keine verfahrensrechtlichen Probleme haben sie, wenn die zu ändernde Steuerfestsetzung noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht. In diesem Fall können sie die Ausgaben nachträglich noch korrekt zuordnen, da die Steuerfestsetzung noch “in alle Richtungen” änderbar ist.

 

 

 

Information für: Unternehmer
zum Thema: Umsatzsteuer

(aus: Ausgabe 05/2023)

Erst zum Jahresanfang 2023 wurde das Kindergeld auf 250 EUR erhöht. Man bekommt es in der Regel bis zum 18. Lebensjahr des Kindes. Es gibt allerdings auch Gründe, die einen längeren Kindergeldbezug ermöglichen. Einer kann die Berufsausbildung des Kindes sein, ein anderer seine Behinderung. Das Finanzgericht Hamburg (FG) musste im Streitfall entscheiden, ob der Anspruch auf Kindergeld auch fortbesteht, wenn ein behindertes Kind aufgrund begangener rechtswidriger Taten zwangsweise in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht ist.

Die Klägerin ist die Mutter von A (geboren im Juli 1999). A leidet seit dem 14. Lebensjahr an einer hebephrenen Schizophrenie (Grad der Behinderung 80, Merkzeichen “H” für “Hilflosigkeit”). Die Schule besuchte er seit Herbst 2014 nicht mehr. Zwischen 2014 und Frühjahr 2016 war A mehrfach in stationärer Behandlung, wohnte aber zwischendurch noch im Elternhaus. Von Mai 2016 bis Oktober 2016 war er in der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Klinikums C untergebracht, danach bis Februar 2017 in einer Jugendeinrichtung. In der Folgezeit war A in wechselnden geschlossenen psychiatrischen Abteilungen von Kliniken untergebracht. Die Unterbringung in der Psychiatrie war angeordnet worden, da A im Zustand der Schuldunfähigkeit rechtswidrige Taten begangen hatte, unter anderem Übergriffe auf das Pflegepersonal. Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum April 2017 bis September 2017 sowie ab Februar 2018 auf und forderte den überzahlten Betrag zurück.

Die Klage der Mutter vor dem FG war erfolgreich. Das Gericht stellte fest: Die Klägerin hat einen Anspruch auf Kindergeld für A, da dieser wegen seiner vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen (körperlichen, geistigen oder seelischen) Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Als Voraussetzung für den Kindergeldanspruch kommt in Frage, dass das Kind entweder aufgrund der allgemein ungünstigen Situation auf dem Arbeitsmarkt oder wegen anderer Umstände (z.B. mangelnde Mitwirkung bei der Arbeitsvermittlung) arbeitslos und damit außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Eine Kindergeldberechtigung besteht auch, wenn die Behinderung mitursächlich dafür ist, dass das Kind nicht seinen (gesamten) Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit bestreiten kann. Eine Ausnahme besteht bei Inhaftierung, was im Streitfall aber nicht gegeben ist. Zwar gab es durch A rechtswidrige Körperverletzungen gegen das Pflegepersonal. Allerdings erfolgte die Unterbringung in der Psychiatrie wegen einer schuldlos im Zustand der Steuerungsunfähigkeit begangenen Tat.

Information für: alle
zum Thema: Einkommensteuer

(aus: Ausgabe 05/2023)

Ähnlich wie bei den Werbungskosten so stellt sich auch bei den außergewöhnlichen Belastungen alljährlich im Zusammenhang mit der Einkommensteuererklärung die Frage, was abziehbar ist und welche Belege erforderlich sind, damit der Abzug gelingt. Wer Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte oder Medikamente aus eigener Tasche zahlt, kann die Kosten häufig als außergewöhnliche Belastungen in seiner Einkommensteuererklärung abrechnen. Als Faustregel gilt hier: Je lockerer von außen betrachtet der Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Kosten und der Krankheit erscheint, desto strenger sind die Nachweispflichten, die der Fiskus vom Steuerzahler einfordert. Nach dieser Logik gelten für Krankheitskosten drei Nachweisstufen:

  • Bei Kosten für übliche medizinische Behandlungen wie beispielsweise eine Wurzel- oder Kariesbehandlung beim Zahnarzt zeigen sich die Finanzämter am großzügigsten. Die hierbei entstehenden Kosten müssen dem Fiskus nicht in besonderer Form nachgewiesen werden. Es genügt in der Regel, wenn der Steuerzahler beim Finanzamt die Arztrechnung vorlegt.
  • Strenger geht es bei Kosten für Medikamente, Hörgeräte, Brillen oder Prothesen zu. Sie werden nur anerkannt, wenn dem Finanzamt die entsprechende Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers vorgelegt wird. Bei chronischen Krankheiten muss dieser Nachweis allerdings nur einmal zu Beginn erbracht werden. Auch bei Brillen gibt es eine Erleichterung: Hat ein Augenarzt in der Vergangenheit bereits festgestellt, dass der Steuerzahler eine Brille tragen muss, genügt dem Finanzamt in späteren Jahren die Sehschärfenbestimmung eines Augenoptikers als steuerlicher Nachweis.
  • Die strengsten Nachweisregeln gelten beispielsweise für Bade- und Heilkuren, psychotherapeutische Behandlungen, die auswärtige Unterbringung von Kindern mit Legasthenie (oder einer anderen Einschränkung bzw. Behinderung), medizinische Hilfsmittel wie Gesundheitsschuhe oder Magnetmatratzen und wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden (z.B. Sauerstofftherapien oder Frischzellenbehandlungen). All diese Kosten dürfen nur dann als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden, wenn der Steuerzahler vorab ein Gutachten des Amtsarztes oder eine Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung eingeholt hat.

Hinweis: Die erforderlichen Nachweise müssen vom Steuerzahler nicht direkt der Einkommensteuererklärung beigefügt werden. Es genügt, sie lediglich auf Anforderung des Finanzamts nachzureichen (sog. Belegvorhaltepflicht).

Information für: alle
zum Thema: Einkommensteuer

(aus: Ausgabe 05/2023)